Arztfehler in Polen
polen-rundschau – August 2004
Ich habe vor kurzem auf dem Weg von Warschau nach Gdansk einen Autounfall gehabt. Unmittelbarer nach dem Unfall bin ich – da es Not tat – von einem Arzt des staatlichen Rettungsdienstes behandelt worden. Bei der Behandlung ist dem Arzt ein Fehler unterlaufen, der glücklicherweise von einem anderen Arzt in Warschau schnell entdeckt und beseitigt wurde, so dass mich der Fehler nur einige zusätzliche Tage Bettruhe gekostet hat. Wenn der Warschauer Arzt ihn aber nicht entdeckt hätte, hätte ich möglicherweise schwere gesundheitliche Schäden erlitten. Stehen mir im Hinblick auf die fehlerhafte Behandlung gegen den staatlichen Rettungsdienst irgendwelche Rechte zu?
Wenn der Arzt Sie fehlerhaft behandelt hat und Sie nachweislich auf Grund dieses Fehlers mehr – oder länger – als ohne den Fehler gelitten haben, stehen Ihnen gegen den Rettungsdienst verschiedene Ansprüche zu. Deren Umfang hängt davon ab, welche Schäden Sie erlitten haben. Im Einzelnen:
Wenn Sie auf Grund des Fehlers zusätzliche Arzt- oder Medikamentenkosten hatten, muss der Rettungsdienst (oder jeder andere fehlerhaft handelnde Arzt) Ihnen diese ersetzen. Haben Sie durch längere Bettruhe Verdienstausfall gehabt, ist auch dieser zu ersetzen. Darüber hinaus sind Ihnen sämtliche Vermögensschäden zu ersetzen. Die Vermögensschäden sind anhand der sog. Differenzhypothese zu berechnen. Danach besteht der Schaden in der Differenz zwischen zwei Güterlagen: der tatsächlichen durch das Schadensereignis geschaffenen und der unter Ausschaltung dieses Ereignisses gedachten. Ein Vermögensschaden ist gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert Ihres Vermögens geringer ist als der Wert, den Ihr Vermögen ohne das die Ersatzpflicht begründende Ereignis haben würde.
Sollte auf Grund des ärztlichen Fehlers Ihre Erwerbsfähigkeit dauerhaft aufgehoben oder gemindert sein, steht Ihnen eine Geldrente zu. Das gleiche gilt, wenn sich Ihre Bedürfnisse vermehrt oder Ihre Zukunftsaussichten vermindert haben.
Des Weiteren steht Ihnen Schmerzensgeld zu. Dessen Höhe hängt vom Einzelfall ab. Zu berücksichtigen sind hierbei die Intensität und die Dauer der erlittenen Schmerzen, darüber hinaus die Irreversibilität der Verletzungen. Die polnischen Gerichte fällen natürlich in diesem Bereich keine Urteile im US-amerikanischen Stil. Ebenso wenig erreicht die Höhe des Schmerzensgeldes die deutschen Verhältnisse. Das liegt aber vor allem daran, dass zum einen die Vermögensverhältnisse in Polen anders sind als in Deutschland; zum anderen daran, dass Klagen gegen Ärzte eine noch relativ junge und unbekannte Erscheinung in der polnischen Gerichtsbarkeit darstellen. Aber auch hier sind schon die ersten Durchbrüche zu verzeichnen. So sind beispielsweise kürzlich einem Jungen, der wegen eines Arztfehlers 14 Tage zusätzlich bettlägerig war, von einem Warschauer Gericht umgerechnet 2.000 € Schmerzensgeld zugesprochen worden.
Bei der Höhe des Schmerzensgeldes dürfen in der Praxis die tatsächlichen Verhältnisse und die freie Überzeugung des Gerichtes nicht außer Acht gelassen werden. So kann beispielsweise ein ausländischer Geschäftsführer mit einem 250.000 € Jahresverdienst, der gegen den von ständigen Zahlungsschwierigkeiten geplagten polnischen staatlichen Rettungsdienst klagt, mit keinem sehr hohen Schmerzensgeld rechnen. Anders würden aber wohl die Dinge liegen, wenn sich die Klage gegen eine große Privatklinik oder Privatambulanz richten würde.