Autounfall in Polen
polen-rundschau – Juli 2006
Ich habe vor kurzem in Polen einen Autounfall gehabt. Unfallverursacher war ein polnischer Staatsangehörige. Er war bei dem polnischen Versicherungsunternehmen PZU versichert. Ich habe die Versicherung über meinen Anwalt in Deutschland aufgefordert, den Schaden zu liquidieren, aber sie hat auf die Schreiben des Anwalts überhaupt nicht reagiert. Wie sollte man jetzt vorgehen? Welche Schäden bekomme ich denn in Polen überhaupt ersetzt?
Ich darf erst ein mal eine generelle Bemerkung machen: Die polnischen Versicherer verhalten sich so wie die deutschen Versicherer es vor ca. zwanzig Jahren taten, d.h. sie stellen die Höhe eines jeden Schadensposten in Frage und hoffen, dass der Geschädigte die von der Versicherung vorgegebene Schadenshöhe akzeptiert und die Angelegenheit gerichtlich nicht einklagt. Und wenn der Geschädigte aus dem Ausland kommt, beruht die übliche Vorgehensweise darauf, erst gar nicht zu reagieren und darauf zu spekulieren, dass der ausländische Geschädigte, der möglicherweise der polnischen Sprache nicht mächtig ist, keinen Rechtsanwalt in Inland findet, der für ihn den Schaden liquidiert. Denn die Versicherungen wissen, dass ein ausländischer Anwalt, wie der von Ihnen eingeschaltete deutsche Anwalt, in Polen gerichtlich nicht vertreten darf, also letztlich völlig machtlos ist. Sie werden daher vermutlich nicht umhin kommen, einen polnischen Anwalt zu bemühen.
Was die einzelnen Schadensposten anbelangt, die Sie in Polen geltend machen können, sind in erster Linie natürlich die Reparaturkosten zu zurückzuerstatten. Es steht Ihnen allerdings frei, genauso wie in Deutschland, den Wagen nicht reparieren zu lassen und trotzdem die in einem Sachverständigengutachten geschätzten Reparaturkosten ersetzt zu verlangen (die sog. fiktive Schadensberechnung). Sie sollten aber das Sachverständigengutachten in Deutschland in Auftrag geben, da ein polnisches Gutachten von den deutschen Preisen und Standards möglicherweise abweichen kann.
Falls ein sog. wirtschaftlicher Totalschaden vorliegt (d.h. die Reparaturkosten übersteigen den Wert des Wagens vor dem Unfall), bekommen Sie den sog. Wiederbeschaffungswert erstattet, müssen sich allerdings den Restwert des beschädigten Fahrzeugs anrechnen lassen.
Die Erstattung der Mietwagenkosten stellt sich in Polen problematisch dar. Es gibt nämlich einige Gerichtsurteile, die diese Kosten zubilligen, aber auch ein paar Urteile, die die Erstattung dieser Kosten ablehnen. Fest steht nur, dass Sie die Mietwagenkosten dann ersetzt bekommen, wenn der Wagen von Ihnen gewerblich genutzt wurde und zur Ausübung des Gewerbes tatsächlich erforderlich war. Die sog. fiktiven Mietwagenkosten, d.h. die nach der Preisliste anfallenden Kosten eines tatsächlich nicht in Anspruch genommenen Mietwagens, werden Sie überhaupt nicht ersetzt bekommen.
Sie können natürlich sämtliche Kosten medizinischer Betreuung geltend machen. Hierzu gehören auch die Kosten eines Rücktransportes nach Deutschland, falls Sie sich einer medizinischen Behandlung in Polen nicht unterziehen wollen.
Problematisch ist dagegen die Durchsetzung vom vernünftigen Schmerzensgeld. Dieses können Sie grundsätzlich nur dann zugesprochen bekommen, wenn die Verletzung so gravierend war, dass bei Ihnen von dem Versorgungsamt zumindest zeitweise ein Behinderungsgrad festgestellt worden ist. Aber langsam setzt sich in der Rechtsprechung die Erkenntnis durch, dass Schmerzensgeld auch bei kleineren Verletzungen zuzusprechen ist. Es gibt schon sogar einige Gerichtsentscheidungen, die besagen, dass die Höhe des Schmerzensgeldes nach dem am Wohnort des Geschädigten, d.h. in Deutschland, herrschenden Kriterien zu bemessen ist.
Die sog. pauschalen Kosten, mit denen in Deutschland die Porto-, Telefon-, Fax-, Kopien- und ähnlichen Kosten abgedeckt werden (in Deutschland üblicherweise ca. 20 EUR), werden in Polen nicht ohne weiteres zurückerstattet. Die Rechsprechung verlangt nämlich, dass Sie diese Ausgaben einzeln dokumentieren. Wenn Sie daher diese Aufwendungen ersetzt bekommen möchten, müssen Sie Quittungen für Porto- und Telefongebühren sowie für die Herstellung von Kopien vorlegen.
Die Kosten der Einschaltung eines Anwalts bekommen Sie, wenn Sie aus dem Ausland kommen, grundsätzlich zurückerstattet. Allerdings muss sich um die Kosten eines polnischen Anwaltes handeln. Die Kosten eines deutschen Anwaltes werden Sie dagegen nicht rückvergütet bekommen, mit der Begründung, dass deutsche Anwälte in Polen nicht vertreten dürfen und daher deren Kosten nicht erstattungsfähig sind.